[Liste] Punkpunks
Mir fehlt ja was, wenn ich nicht alle paar Monate eine neue Liste erstellen kann. Ein paar warten inzwischen seit drei Jahren auf ihre Vollendung, aber ich wende mich lieber erst einmal unser aller aktuellem Lieblingsthema zu: den Punk-SFF-Derivaten! Im Folgenden aufgelistet sind also alle Subgenres und Movements, die den Punk im Namen tragen.
Alle Subgenres und Movements? Fast. Mein Fokus liegt auf solchen, die medial eine Rolle spielen und wenigstens eine nennenswerte Diskussion hervorgebracht haben. Auch wenn sie im Diskurs gelegentlich genannt werden, tauchen daher folgende Begriffe nicht in der Liste auf:
- Sharkpunk, da der Begriff anscheinend nur auf eine einzelne Anthologie selben Namens angewendet wird und das Fass mach ich lieber nicht auf (ja, Frostpunk, ich seh dich!),
- DIYPunk, Kidpunk und Graffitipunk, da dieser literarisch keine Rolle zu spielen scheint,
- Plaguepunk, da es wohl nicht ganz dasselbe wie Castlepunk ist, ich aber auch keine konkreten Beispiele finden konnte,
- Gearpunk, da das mal als Synonym für Steampunk, mal als Synonym für Clockpunk auftaucht, und
- Rococopunk, da ich hierzu keine Medien-Beispiele finden konnte.
Wie sinnvoll es jeweils ist, dass die Begriffe eingeführt wurden, ist nicht Thema dieser Liste. Ich halte niemanden davon ab, darüber zu diskutieren, wie könnte ich auch. Aber mir geht es nur um einen kurzen, knappen Überblick über die Begrifflichkeiten, die kursieren, nicht um ihre Bewertung. [Das war zumindest der Fall, bis ich auf Dungeon Punk gestoßen bin, aber was soll man machen.]
Wie stets verweise ich an dieser Stelle außerdem darauf, dass trotz relativ sorgfältiger Recherchen diese Liste Fehler enthalten kann und darüber hinaus nicht vollständig ist. Wer mag, kann gerne Verbesserungen oder Ergänzungen in die Kommentare oder auf Twitter schreiben bzw. sie mir per Mail senden. Aber dass mir hier keiner Frustpunk oder so erfindet!
[Edit: Hab festgestellt, dass die Tabelle nicht auf allen Mobilgeräten komplett dargestellt werden kann. I’m sorry :( ]
Stand: September 2020
Name | Erste Erwähnung | Erste Erwähnung durch | Merkmale / Themen / Elemente | Beispiele |
---|---|---|---|---|
Atompunk | Spionage-Themen; Elemente des sozialistischen Realismus; Ära des Kalten Kriegs als Setting bzw. stilistischer Hintergrund | „X-Men: Erste Entscheidung“ (Film), „The Atomic Sea“-Romane von Jack Conner | ||
Biblepunk | Fantasy trifft auf christliche Elemente, manchmal Richtung „Stonepunk“, manchmal industrielles Setting | „Die große Flut“ von Madeleine L’Engle, „Noah“ (Film) | ||
Biopunk | 1992 | GURPS / Brian McHale | DNA-Hacking / Biohacking; genetische Veränderungen und Klonen; Bedrohung durch Viren; dystopische Grundstimmung | „Die Geschichte von Zeb“ von Margaret Wood, „Resident Evil“ (v. a. die Filme) |
Bonepunk | siehe Nekropunk | |||
Bronzepunk | 2000 (?) | GURPS | Underdogs in Zeiten der Bronzezeit; mit Bronzezeittechnologie!; z. T. assoziiert mit Elementen des Alten Ägyptens | „Der Löwe aus Sparta“ u. v. m. von Mary Renault; „300“ (Comic, Filme) |
Bugpunk | 2011 (?) | Kameron Hurley (?) | Cyberpunk + Biopunk + Magie | „God’s War“ von Kameron Hurley |
Cattlepunk | wie Steampunk, aber mit Westernästhetik; eng verwandt zu Weird Western und Space Western | „Wild Wild West“ (Film) | ||
Candlepunk / Castlepunk / Middlepunk | 2000 (?) | GURPS (als Candlepunk) | Mittelalter-Ästhetik und -„Technologie“; optimistischer als Plaguepunk; Alchemismus; Orientromantik | „Biodome Chronicles“ von Jesikah Sundin |
Capepunk | Superheldengeschichten, aber sehr meta und reflexiv; negative Einstellung der Menschen gegenüber Superkräften | „Hero“ von Perry Moore, „Vicious“ von V. E. Schwab | ||
Clockpunk | Renaissance-Technologie und -Ästhetik; mechanische Uhren sind Teil des Ambientes; Zeit als zentrales Handlungselement | „Die Götter von Whitechapel“ von S. M. Peters, „Die Mechanik des Herzens“ von Mathias Malzieu | ||
Cyberprep | Utopischer Cyberpunk; positiv besetztes Human Enhancement (z. B. zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit) | „Ugly – Pretty – Special“ von Scott Westerfeld | ||
Cyberpunk | 1983 | Bruce Bethke | Noir-Atmosphäre; Verschmelzung von Mensch und Technik; Technik als Mittel zur sozialen Kontrolle; Underdog-Protagonist*innen | „Blade Runner“ (v. a. die Filme bzw. „Blade Runner 2049“), „Neuromancer“ von William Gibson |
Decopunk | 2010 | Sara M. Harvey | Jugendstil-Ästhetik im Dieselpunk-Setting | „Batman“ (Zeichentrickserie) |
Dieselpunk | 2001 | Lewis Pollak | Diesel-betriebene Technologien; gesellschaftlicher Wandel vom Optimismus zum Pessimismus | „Leviathan“ von Scott Westerfeld |
Dreadpunk | 2015 | Derek Tatum | viktorianisches Ambiente und Steampunk treffen auf Horror / Dark Fantasy | „Penny Dreadful“ (Serie) |
Dreampunk | Frage nach der Realität, surreale Atmosphäre | „Solaris“ von Stanislwa Lem, „Der Träumer in der Zitadelle“ von Esther Rochon | ||
Dungeonpunk | Heroische Fantasy oder Urban Fantasy, aber zynisch und / oder postmodern | „Antipaladin Blues“-Serie von Jess Gulbranson, „Bright“ (Film) | ||
Ecopunk | Fokus auf Interaktion und Zusammenhänge zwischen Mensch/Figur und Umwelt | „Ecopunk!“-Anthologie von Liz Grzyb und Cat Sparks (Hrsg.) | ||
Elfpunk | traditionelle Fantasywesen verhalten sich modern; eng verwandt zur Urban Fantasy | „Faeriewalker“-Romane von Jenna Black, „Die Zehnte“ von Holly Black | ||
Formicapunk (auch: Cassette Futurism) | Retrofuturismus mit Elementen der 1970er und 1980er Jahre | „Ready Player One“ von Ernest Cline | ||
Godpunk | 2013? | James Lovegrove? | Verhältnis zwischen Menschen und Göttern … und menschliche Rebellion, I guess? | „Age of Shiva“ von James Lovegrove, „Good Omens“ von Terry Pratchett und Neil Gaiman |
Hopepunk | 2017 | Alexandra Rowland | kooperatives Miteinander; „worldcare“; Diversity-Fokus; episodenhafte Struktur | „Wayfarer“-Romane von Becky Chambers |
Ironpunk | 2000 (?) | GURPS | Underdogs in Zeiten der Eisenzeit; mit Eisentechnologie!; assoziiert mit Elementen der griechisch-römischen Antike | „Germanicus“-Trilogie von Kirk Mitchell |
Librarypunk | 2015 | Rachel Caine | Bücher und Bibliotheken als Machtinstrumente; der/die Protagonist*in bricht die sozialen Strukturen auf | „Ink and Bone“ von Rachel Caine |
Manner(s)punk | hierarchische soziale Strukturen; besondere Bedeutung sozialer Codes; „Jane Austen mit Fantasy“ | „Der Clan der Klauen“ von Jo Walton | ||
Mesopunk | Steampunk trifft auf Elemente mittelamerikanischer Völker und Kulturen (wie der Maya) | |||
Mythpunk | 2006 | Catherynne M. Valente | Postmoderne Literatur mit Elementen aus Sagen und Mythen; Diversity-Fokus | „Deathless“ von Catherynne M. Valente, „The Alchemy of Stone“ von Ekaterina Sedia |
Nanopunk | Einfluss von Nanotechnologie auf Gesellschaft und Individuum | „Nanotech Succession“-Reihe von Linda Nagata | ||
Nekropunk | Nekromantie + Technologie | „Ich bin Gideon“ von Tamsyn Muir | ||
Nowpunk | 2004 | Bruce Sterling | Literatur mit Cyberpunk-Elementen, die jedoch Bezug auf das Hier und Jetzt nimmt | „The Zenith Angle“ von Bruce Sterling |
Oceanpunk / Pirate Punk | Abenteuer auf See, Unterwasserstädte, Meerjungfrauen, Seemonster, aber alles bisschen weird oder gritty; außerdem organische Technologie | „Fluch der Karibik: Fremde Gezeiten“ (Film) | ||
Postcyberpunk | 1998 | Lawrence Person | Umgang der Gesellschaft mit rapidem technologischen Wandel; technologisches Embodiment | „Daemon“-Romane von Daniel Suarez |
Raypunk (auch: Raygun Gothic) | Weirde, psychedelische Space Fiction | „Maliseche“ von Jésus Todemun; „Futurama“ (Serie / Comics) | ||
Salvagepunk | 2013 (?) | China Miéville und Evan Calder Williams | postapokalyptisches und postkapitalistisches Setting, in dem die Figuren Überbleibsel der „alten“ Welt zum Überleben nutzen | „Das Gleismeer“ von China Miéville; „Salvage“-Magazin |
Sandalpunk (auch: Sword and Sandal) | Verbindung aus oder Oberbegriff zu Bronze- und Ironpunk | „Gladiator“ (Film) | ||
Silkpunk | 2015 | Ken Liu | biomechanische Prinzipien; ostasiatische Ästhetiken; Nutzung organischer Materialien wie Bambus oder Seide | „Seidenkrieger“-Trilogie von Ken Liu, „The Black Tides of Heaven“ von JY Yang |
Solarpunk | 2008 | Republic of the Bees | erneuerbare Energien; infrastruktuelle Innovationen; Gemeinschaftsideal | „California“-Trilogie von Kim Stanley Robinson, „Solarpunk“-Anthologie von Gerson Lodi-Ribeiro (Hrsg.) |
Spacepunk (auch: Sword and Space) | archaische Gesellschaften, die mit futuristischer Technologie ausgestattet sind; alternativ Outlaws im All (es herrscht Uneinigkeit) | „Star Wars“ (Filme etc.; in Interpretation 1), „Firefly“ (Serie / Comics; in Interpretation 2) | ||
Splatterpunk | 1986 | David J. Show | schmutziger, blutiger Horror (richtete sich seinerzeit gegen einen Trend „weichgespülter“ Horrorliteratur) | „Cabal“ von Clive Barker, „Splatterpunk“-Anthologie von Paul. M. Sammon |
Steampunk | 1987 | K. W. Jeter | Alternate History mit Dampf- und Äther-Technologie; Abenteuerromanästhetik; oft viktorianisches Setting | „Die Differenzmaschine“ von William Gibson und Bruce Sterling; „Eis und Dampf“ von Christian Vogt (Hrsg.); „Mortal Engines“ von Philip Reeve |
Steelpunk | Fokus auf Technologie der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts; Nieten- und DIY-Ästhetik | „Mad Max“-Filme, „Schneekreuzer“ (Comic) bzw. „Snowpiercer“ (Film) | ||
Stonepunk | 2000 (?) | GURPS | Technologie mit „Steinzeit-Elementen“; Gesellschaften, die sich ästhetisch an der Steinzeit orientieren, jedoch Strukturen und Zeitgeist späterer Zeitalter aufweisen | „10.000 b.c.“ (Film), „Ayla und der Clan der Bären“ von Jean M. Auel |
Teslapunk | Belle-Epoque-Ambiente mit Elektrizität; Elektrizität ersetzt andere Energieformen; okkultistisch-elitäre Wissenschaft | „Prestige“ (Film), „Phoenix“-Trilogie von Ann-Kathrin Karschnick | ||
Transistorpunk | 2000 (?) | GURPS | wie Atompunk, aber mit mehr Drogen | „Der dunkle Schirm“ von Philip K. Dick |
Trumppunk | 2018 | Marleen S. Barr | SF- bzw. Alternate-History-Literatur, die sich gezielt gegen Donald Trump bzw. dessen Politik ausspricht; oft mit feministischen Inhalten; oft satirische Elemente | „When Trump changed“-Anthologie von Marleen S. Barr (Hrsg.), „Trump: Utopia or Dystopia“-Anthologie von J. F. Garrard und Jen Frenkel (Hrsg.) |
Vaporpunk | 2011? | El Investigator (Magazin)? | Steampunk in süd- oder mesoamerikanischem Setting | „Vaporpunk“-Anthologie von Gerson Lodi-Ribeiro |
Whalepunk | Tranbetriebene Technologie; Jagd auf Seemonster | „Dishonored“ (Game) |
Erkenntnisse, Gedanken und Fortführendes:
- Manche Leute (ich schaue euch an, Scott Westerfeld und Bruce Sterling!) ziehen die Punk-Genres offenbar an.
- Es liegt im Trend, für eigene Veröffentlichungen neue Genres zu erfinden. Find ich gut. „Vor meiner Ewigkeit“ ist übrigens Colorpunk, „Liminale Personae“ Postzombiepunk, „Spielende Götter“ Cyberfantasypunk und „Sommerlande“ … hm, das ist einfach Fantasy. (Bitte verstehen Sie diesen Kommentar nicht als Bewertung.)
- Offenbar schlägt besonders oft dann die Stunde der Punks, wenn die Konkurrenz als zu soft (Splatterpunk) oder zu gritty (Hopepunk, Cyberprep) eingeschätzt wird.
- Eine meiner Quellen war Daniel Hope (na, sagt euch der Name noch was?) mit dieser Liste. Er hat mich auch auf den Begriff Punkpunk(s) gebracht, der offenbar wirklich ein thing ist. Oh, und auf Lobsterpunk natürlich. Finde es aber etwas befremdlich, dass Hope zwar Bugpunk als „semi-established“ bezeichnet, Solarpunk aber nicht einmal erwähnt. Hmpf.
Danke für die Aufmerksamkeit. Liste unter CC BY SA.

Allgemein Phantastik cyberpunk dreadpunk Hopepunk Movements Solarpunk vaporpunk
Hi, sehr schicke Liste und sehr spaßig zu sehen, wie und wo das alles hinge-punk-ed ist. Zwei kleine Anmerkungen, falls du das noch mal nachschauen willst. Cyberpunk als Begriff stammt nicht von Gibson, der hat „cyberspace“ erfunden. Bruce Bethke wird üblicherweise der Neologismus „Cyberpunk“ zugeschrieben, der hat 1983 eine Kurzgeschichte so genannt und das wurde wiederum von Gardner Dozois aufgegriffen als er Gibson beschrieben hat. Und „Biopunk“ steht bei Jeff Prucher (Brave New Words) zwar mit dem GURPS Band als erster Nennung drin, dabei vergisst Prucher aber Brian McHales Buch Constructing Postmodernism, in dem McHale von der „bio-punk variety“ von Cyberpunk spricht, um Sterlings Schismatrix zu beschreiben. Das Buch ist auch von 1992 aber vermutlich hat McHale den Begriff schon länger rumfliegen – in seinen Essays/Vorträgen. Davor gibt es in den 1980er Jahren sogar noch eine tschechische Bewegung die Biopunk als Begriff nutzt, aber die Übersetzungen davon waren erst nach dem Fall des eisernen Vorhangs erhältlich und das Genre war anders definiert.
Danke für die Anmerkungen. Das mit Gibson wurmt mich etwas, aber du hast natürlich recht … Habe es verbessert und auch McHale ergänzt.